Mount Everest des Nordatlantiks wird Hotspot für Funkamateure
Rockall heißt ein unbewohnbarer Granitfelsen im Nordatlantik, rund 370 km von den schottischen Hebriden-Inseln entfernt. Zu diesem abgelegenen Ort, der sonst nur Seevögeln ein gelegentliches Zuhause bietet, bricht am 26. Mai ein Team von Funkamateuren per Segelschiff vom schottischen Inverkip auf, um von Rockall aus Gleichgesinnte rund um den Globus per Funk zu erreichen.
Unter Funkamateuren übt eine Verbindung zu anderen Funkern auf Inseln, die als unbewohnt gelten, einen ganz besonderen Reiz aus. Je seltener Inseln für nur wenige Tage oder gar Stunden erreichbar sind, desto höher das Interesse, eine Funkverbindung dorthin herzustellen. Im Falle des nur knapp 800m² großen Eilandes Rockall ist der Sendebetrieb eine ganz besondere Herausforderung: Der Granitfelsen ragt fast senkrecht aus dem Meer, das Anlanden von Mensch und Gerät bedeutet bei entsprechendem Seegang und Wind höchste Schwierigkeitsgrade. Der Deutsche Emil Bergmann ist einer derer, die den gut 17 Meter emporragenden, glitschigen Felsen erklimmen wollen. Als Bergsteiger hat er bereits 7000er erklommen, und den Rockall vergleicht er mit dem Mount Everest – für Funkamateure.
Der in Dreieich nahe Frankfurt am Main wohnende Elektronikingenieur mit dem amtlichen Rufzeichen DL8JJ weiß nur zu gut, wie begehrt für viele Funkamateure das Erreichen der kleinen Insel per Funkbrücke ist. Entsprechend wird der Andrang auf die Frequenzen seines Teams sein, wenn es gelingt, von dem Felsen zu senden. Bis dahin ist aber manche Hürde zu nehmen. Von Sauerstoffflaschen abgesehen, wird vieles dabei sein, was Bergsteiger benötigen – sogar Eispickel für den rutschigen, glatten Untergrund. Auf der Spitze des Felsens will Emil Bergmann mit britischen Freunden eine Funkstation in Betrieb nehmen. Die jedoch muss erst einmal vom Segelboot dorthin gelangen. Eine Seilbahn ist für diesen Materialtransport vorgesehen, die vom etwas entfernt ankernden Segelboot bis zur „Bergspitze“ montiert wird. Mit Winden sollen so wasserdichte Behälter per Muskelkraft zum Felsen gezogen werden. Übernachtet wird in einem Zelt, das an Seilen, Haken und Ösen gesichert über dem Abgrund hängt. Das gilt als zweckmäßig und sicher, besonders wohnlich aber wird es wohl nicht sein.
Bei der im Funkerjargon als DXpedition bezeichneten Aktion sollen möglichst viele tausend Funkverbindungen in die ganze Welt zustande kommen. Die Hilfsmittel: ein paar Antennen, Funkgeräte mit Batteriebetrieb – und jede Menge Enthusiasmus. Dass die Operation nicht ganz ungefährlich ist, zeigt eine historische Statistik: Von 110 Menschen, die dort in den letzten 200 Jahren – allerdings meist wohl nicht freiwillig – anlandeten, überlebten nur fünf Personen mehr als eine Nacht…
Was motiviert Emil Bergmann, eine solche DXpedition durchzuführen und von einem im Fels hängenden Zelt aus den Funk-Kontakt zur Welt zu suchen? „Alles! Das Segeln bei fünf bis zehn Meter hohen Wellen, die Ankunft am Felsen mit einem kleinen Boot, die erste Berührung des Steins, das Hochklettern und der Herauftransport der Ausrüstung. Wenn dann das Lager eingerichtet, wir im Zelt sitzen oder liegen und funken…“
Neben den Reizen funktechnischer und physischer Art gibt es aber noch ein anderes Ziel: 50.000 Pfund wollen Emil Bergmann und seine zwei britischen Kollegen für zwei im Vereinigten Königreich hochangesehene Organisationen sammeln, die sich um verletzte Soldaten der britischen Marine und um deren Familien kümmern. Dafür ist den Expeditionsteilnehmern kein Fels zu abgelegen.
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